Taktik-Nachlese zum Spiel FCK-SVWW

Die DBB-Analyse: Kein Glaube im Schwimmverein

Die DBB-Analyse: Kein Glaube im Schwimmverein


Wieder kein Sieg. Doch das ist nicht einmal die fatalste Erkenntnis aus diesem 1:1 gegen einen Tabellennachbarn. Sondern: Von vielen schwachen zweiten Halbzeiten des 1. FC Kaiserslautern in dieser Saison war diese eine der schwächsten.

Ja, wir sind es auch leid, uns ständig über die Leistungseinbrüche dieser Mannschaft in zweiten Halbzeiten auszulassen. Leider aber rauben sie nicht nur dem Umfeld langsam den Verstand. Viel schlimmer ist: Die Mannschaft glaubt mittlerweile wohl selbst nicht mehr daran, dass sie nach einer Führung drei Punkte unter Dach und Fach bringen kann. Fatalerweise nämlich hat sich die Frequenz der Punktabgaben mit zunehmender Saisondauer erhöht - und die diversen Trainerwechsel haben sich eher negativ ausgewirkt als die erwünschte Verbesserung gebracht.

In den 14 Partien unter Dirk Schuster haben die Betze-Buben insgesamt vier Führungen abgegeben. Drei Stück waren es unter Dimitrios Grammozis, der den FCK allerdings nur in insgesamt sechs Liga-Spielen betreute. Unter Friedhelm Funkel wiederum folgten nun in bislang neun Spielen auf fünf 1:0-Führungen keine Siege.

Die "negative Kontinuität" hat sich im Kopf festgesetzt

Das macht nicht eben Hoffnung, dass die Pfälzer dieses Problem in den verbleibenden vier Runden noch in den Griff bekommen. Und spricht auch nicht für die mögliche Erklärung, dass es eventuell die Amerika-Reise im vergangenen Sommer war, die kein optimales Grundlagentraining während der Saisonvorbereitung ermöglichte. Eventuelle Defizite, die in diesem Zusammenhang entstanden sein könnten, müssten mittlerweile längst aufgearbeitet sein.

Es scheint viel mehr das manifestiert zu haben, was der ehemalige FCK-Trainer Milan Sasic einst "negative Kontinuität" genannt hat. Und die hat sich nicht in den Beinen, sondern in den Köpfen festgesetzt. Insofern ist dem Statement von FCK-Boss Thomas Hengen, dass schlicht und ergreifend "Mut und Überzeugung" fehlen, zunächst mal nichts hinzufügen.

Die merkwürdige Personalpolitik tut ein Übriges

Allerdings: In der analysierenden Rückschau nach Rundenschluss, mit welchem Ende auch immer, wird auch über die Personalpolitik in dieser Spielzeit geredet werden müssen. Unter den Transfers im vergangenen Sommer mag mit Ragnar Ache ein absoluter Volltreffer gewesen sein. Auch andere Neuverpflichtungen wie Richmond Tachie und Jan Elvedi haben die Erwartungen mindestens erfüllt. Doch das allgemein bekannte Problem auf der linken Abwehrseite wurde nicht behoben.

Und in der Winterpause kam es Personalentscheidungen, die noch schwerer nachvollziehbar waren: Da kamen drei Offensivspieler, davon zwei auf Leihbasis, von denen sich bislang keiner als Verstärkung dargestellt hat. Mit Terrence Boyd, Andreas Luthe und Erik Durm verließen drei Spielerpersönlichkeiten den Verein, die zwar keine regelmäßigen Startelf-Kandidaten mehr waren, die aber auch in der Kabine alleine aus ihrer großen Erfahrung heraus eben den "Mut und die Überzeugung" vermitteln hätten können, die Hengen nun vermisst. Für diese Fehlsteuerungen allein den sogenannten "Technischen Direktor" Enis Hajri verantwortlich zu machen, wäre ein bisschen billig.

Die erste Halbzeit: Chancen fast nur über Standards

Dass diese Gedanken über die nackte Spielanalyse hinausgegangen sind, bitten wir zu entschuldigen. Aber über die Partie muss nicht viel gesagt werden, was nicht auch schon in den vergangenen Wochen erklärt wurde. Außer vielleicht: Es war gegen den SV Wehen Wiesbaden nicht nur das 14. Spiel, in dem der FCK eine Führung abgab, viel schlimmer ist. Es war mit die schlechteste zweite Halbzeit, die dieses Team in der gesamten Saison ablieferte. Gerade auch das darf als Beleg dafür angesehen werden, dass es sich hier ein "Kopfproblem" immer stärker manifestiert.

In der ersten Hälfte hatten die Lautrer ihre Gäste nicht gerade an die Wand gespielt, aber sich doch ein gewisses Chancenplus herausgespielt und gleichzeitig dem Gegner so gut wie gar nichts gestattet, so dass die Führung zur Pause in Ordnung ging. Die fälligen Personalwechsel, die Friedhelm Funkel in der Startelf vorgenommen hatte, schienen allesamt nachvollziehbar.

Wie erwartet, war Julian Krahl für Robin Himmelmann ins Tor zurückgekehrt. Für den erkrankten Aaron Opoku übernahm Kenny Redondo die Linksaußen-Position. Für Julian Niehues, der nach seinem Kreuzbandriss den Rest der Saison ausfällt, nominierte Funkel Daniel Hanslik, der aber auf der Zehner-Position begann. Marlon Ritter agierte dafür zurückgezogener, und Filip Kaloc musste diesmal "mehr Sechser" sein, als er als Nebenmann von Niehues war.

Auffallend aber auch: Gefahr vor Gegners Tor vermochten die Roten Teufel fast nur über ruhende Bälle heraufzubeschwören. Das 1:0 fiel nach einer Ecke von Tymo Puchacz, die Boris Tomiak mit dem Kopf auf Kaloc verlängerte, der das Leder daraufhin mit dem Schädel ins kurze Eck rammte. Zuvor hatte Kaloc bereits mit einem Einwurf Tachie bedient, der den Ball von der Strafraumlinie auf Hanslik lupfte. Der wiederum legte Ache auf, worauf dieser aus kurzer Distanz an SVWW-Keeper Florian Stritzel scheiterte. Und nach einer Freistoßflanke Ritters kam Tomiak zu einem Schuss, den Stritzel abwehrte, aber Ache in Ballbesitz brachte. Der zielte am langen Eck vorbei.

Das Unheil kam, als das Schlimmste überstanden schien

In der zweiten Hälfe dann der obligatorische Kontrollverlust, diesmal so total wie nie in dieser Saison. Ärgerlich halt: Als Wehen-Stürmer Ivan Prtajin in der 74. Minute den Ausgleich erzielte, schien Lautern die zerfahrenste Phase seines Spiels eigentlich überstanden zu haben. Drei Minuten zuvor hatten die Gastgeber sogar die Chance, auf 2:0 zu erhöhen: Der für Redondo eingewechselte Dickson Abiama ließ auf der linken Seite zwei Gegenspieler aussteigen, passte nach schönem Flankenlauf in den Rückraum des Sechszehners und Ben Zolinski, der für Tachie gekommen war, schlenzte das Leder knapp am langen Eck vorbei.

Davor hatten sich die Betze-Fußballer 20 Minuten als Schwimmverein präsentiert, der nur mit äußerst ungelenken Bewegungen die Nase über Wasser behielt. Und dank eines Julian Krahl, der nach 60 Minuten großartig einen Kopfball des eingewechselten Nikolas Agrafiotis parierte. Bei einem wuchtigen Kopfball Prtajins, der aus acht Metern knapp am Tor vorbei strich, hatte der FCK aber einfach nur Glück.

Die Sache mit der Sechs

Beim Ausgleichstreffer offenbarte sich allerdings ein weiteres Problem, das die Mannschaft ebenfalls schon die gesamte Saison begleitet - und das im vergangenen Sommer schon von Trainer Dirk Schuster angesprochen, ebenfalls aber nie behoben wurde. Wieder durfte ein Spieler im Raum vor dem Sechzehner frei angespielt werden, so eine entscheidende Aktion einleiten oder, wie hier, selbst vollstrecken.

Diesmal war Kaloc nicht auf dem Sechser-Posten, der ihm eigentlich zugedacht. Er kam - viel zu spät - von der rechten Seite in die Mitte getrabt. Worauf sich einmal mehr zeigte: Ein Sechser sollte zuallererst und vor allen Dingen das Zentrum dicht halten, nicht umsonst nennen die Engländer ihn "Holding Six".

Ansonsten bleibt noch zu sagen, dass auch in dieser Partie die Wechsel eher schwächten als den erhofften Schub verursachten, mit dem sich in einer Schlussviertelstunde ein Spiel nochmal drehen lässt. Die Älteren werden sich erinnern: Der Betze war dafür eigentlich mal berühmt.

Und wieder bringen auch die Wechsel nichts

Zolinksi und Abiama hatten zwar diese eine starke Szene, blieben ansonsten aber wirkungslos. Mit ihrer Einwechslung formierte sich der FCK mehr in einem 4-4-2. Abiama rückte zu Ache in die Spitze, Hanslik übernahm die linke Seite. Doch auch das half nichts, im Gegenteil: Im FCK-Spiel fehlte nun eine Anspielstation im zentralen offensiven Mittelfeld.

Als nach 83 Minuten Chance Simakala für Ritter kam, ging noch mehr Struktur verloren. Hanslik sollte nun wohl in die Zentrale neben Kaloc rücken, Abiama über links kommen und Simakala zweite Spitze sein, aber so richtig nach was aus sah das eigentlich nicht mehr.

Damit bleibt der FCK auf Rang 17, hat nun Tabellenführer Kiel vor der Brust und danach trifft er zuhause auf Magdeburg. Ein Gegner, der auf dem Papier zwar nicht weit entfernt liegt, aber mit dem die Roten Teufel sich zuletzt immer sehr schwer taten.

Die Hoffnung stirbt ... zumindest nicht bei Funkel

Woraus sich jetzt noch Hoffnungskrümel saugen lassen? Zum einen aus der Überzeugungskraft, die Friedhelm Funkel vermittelt. Wenn die doch endlich auch mal im Spiel seiner Mannschaft zu erkennen wäre. In diesem Spiel nun habe er "registriert", so der Coach, dass sich bei manchem seiner Schützlinge "Unterschiede zwischen Trainings- und Spielleistung" auftun. Darauf wolle er zum Gastspiel in Kiel reagieren. Schaun mer mal.

Zum anderen macht vielleicht diese Statistik Mut. Nach "expected Goals" verlor der FCK unter Funkel bislang nur gegen Düsseldorf und Karlsruhe, in allen anderen Partien hatte die Computersoftware den FCK gewinnen sehen. So auch in dieser:

xG-Timeline FCK-SVWW

Die Passmap der Roten Teufel: Sieht eigentlich ganz gut, vor allem das Mittelfeldtrio präsentiert sich recht aktiv. Das Problem ist halt, siehe oben: Auch Pässe wollen mit "Mut und Überzeugung" gespielt werden. Und die kann so eine Grafik eben nicht visualisieren.

Passmap SVWW

Die Passmap des SVWW: Hier zu beachten, dass Ex-Lautrer Gino Fechner (Nr. 6) in der ersten Halbzeit als Sechser, in der zweiten als linker Verteidiger agierte. Dadurch erscheint der Spot, der ihn abbildet, in eine auf den ersten Blick schwer definierbaren Mittellage zwischen diesen beiden Position.

Passmap FCK

Und zu der Duell-Übersicht. Sagen wir's kurz und knapp mal so: Abgesehen von den guten Bilanzen, die drei der vier Abwehrspieler aufweisen, keine Vorteile für den FCK. Und die sollte man bei einem Heimspiel im Fritz-Walter-Stadion erwarten dürfen.

Zweikampf-Duelle FCK-SVWW

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Eric Scherer

Weitere Links zum Thema:

- Saison-Übersicht 2023/24: Die DBB-Analysen der FCK-Spieltage

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