Kummt Senf druff

Nehmt endlich Euer Herz in die Hand!

Nehmt endlich Euer Herz in die Hand!


Vier Spieltage noch, ein Punkt Rückstand auf Platz 16, zwei auf Rang 15. Beim 1. FC Kai­sers­lau­tern ist eigentlich noch nichts verloren - und doch fühlt es sich gerade für viele genau danach an. Ein DBB-Kommentar von Jürgen Kind.

Nach dem 1:1 gegen den direkten Konkurrenten SV Wehen Wiesbaden und weiterhin Platz 17 in der Tabelle brennt der Baum auf dem Betzenberg. War das schon der Abstieg? Viele Fans empfinden das auch noch zwei Tage später so. Die Reaktionen direkt nach dem Schlusspfiff im Stadion, anschließend in der Stadt oder in den einschlägigen Foren und Sozialen Netzwerken sind auch zum Start in die neue Woche kaum abgekühlt. Endzeitstimmung macht sich breit. FCK-Geschäftsführer Thomas Hengen sprach nach dem Spiel davon, als Minimalziel wenigstens noch den Relegationsplatz erreichen zu wollen. Doch wie konnte es soweit kommen?

Der Kader gilt generell als durchaus zweitligatauglich, was auch die Bilanz von Platz 4 in der Tabelle der ersten Halbzeit belegt (übrigens punktgleich mit dem designierten Aufsteiger und kommenden Gegner Holstein Kiel). Wieso diese Mannschaft, die zumindest aktuell diesen Begriff nicht verdient hat, in der zweiten Halbzeit immer und immer wieder einbricht, kann einem niemand schlüssig erklären. Es gibt dafür auch nicht den einen Grund. Nach Dirk Schuster und Dimitrios Grammozis droht nun mit Friedhelm Funkel der erfahrenste Trainer, den man in dieser Situation bekommen konnte, auch an den schon seit der Hinrunde bestehenden Schwächen zu scheitern, obwohl er weiterhin Optimismus verbreitet.

Das Herz der Mannschaft wurde beschädigt

Sicherlich wurden bereits in der Kaderplanung im Sommer 2023 einige Fehler begangen, aber erst recht im Januar 2024 in der Winter-Transferperiode.

Das Herz der Mannschaft wurde beschädigt, es kamen zu viele neue Spieler, die zwar auf dem Papier durchaus einiges versprachen, es aber an der notwendigen Mentalität vermissen ließen. Und sich kaum einmal krisenfest oder kampferprobt zeigten. Aber auch für die schon länger beim FCK tätigen Akteure gilt: Wieso kann eine Niederlage in Düsseldorf im Oktober 2023 - das mittlerweile berühmt-berüchtigte 3:4 nach 3:0-Führung - dazu führen, dass eine Mannschaft in sich zusammenfällt und sich nie wieder davon erholt? In den zehn Partien bis einschließlich des Düsseldorf-Spiels erreichte man immerhin 17 Punkte, in den 20 Begegnungen danach nur noch ganze 13 Zähler. Eine erschreckende Bilanz. Als Ergebnis ist Platz 17 nach 30 Spieltagen zu registrieren. Fünf von sechs Winterzugängen sind, um es gelinde zu formulieren, nicht als Verstärkungen aufgefallen. Einzige Ausnahme ist Filip Kaloc, der sich mit viel Einsatz einen Stammplatz erobern und bisher durchaus überzeugen konnte. Die anderen kommen einfach nicht in Fahrt.

Trotzdem stellt sich auch noch eine gegenteilige Frage: Warum kann die Truppe in fünf DFB-Pokal-Spielen gute bis sehr gute Leistungen zeigen und vollkommen verdient ins Finale einziehen, wenn es in viel zu vielen Meisterschaftsspielen an den Basics fehlt? Wie funktioniert so etwas? Warum ist das so?

Und warum verlieren Spieler, die woanders durchaus schon mal positiv aufgefallen sind, häufig ihre Form, wenn sie beim FCK spielen? Das sind leider keine Einzelfälle, es passiert viel zu oft. Schon seit Jahren immer mal wieder. Nun in komprimierter Form. Woran liegt das? Selbst eigene frühere Leistungsträger schaffen es aktuell nicht mehr, an ihre Leistungsgrenze zu kommen. Was in der Summe dann nicht reicht, um Spiele selbst gegen schwächelnde Gegner zu gewinnen.

Die Saison-Analyse Ende Mai dürfte längere Zeit in Anspruch nehmen. Außerdem muss in der Sommerpause die strategisch entscheidende Frage geklärt werden, warum der FCK-Beirat mit seinen Verwaltungsräten und Investoren vor gut einem Jahr zwar über die Besetzung eines zweiten Geschäftsführers neben Thomas Hengen diskutiert hatte, sich dann aber in Enis Hajri und Saskia Bugera mit zwei Direktoren unterhalb von Thomas Hengen zufrieden gab? Diese Strategie ist bereits jetzt krachend gescheitert und gehört für die kommende Saison dringend auf den Prüfstand. Das Thema "Zweiter Geschäftsführer" muss wieder auf die Agenda.

Funkel muss 15 bis 16 stabile Spieler herausarbeiten

Doch zurück zur aktuellen Situation: noch ist nicht alles vorbei, da hat Funkel schon recht. Man weiß zwar nicht, worauf man seine Hoffnung begründen soll. Aber noch sind zwölf Punkte zu verteilen und selbstverständlich ist der Relegationsrang noch möglich und erreichbar. Und auch noch die direkte Rettung. Der Rückstand beträgt einen beziehungsweise zwei Zähler.

Funkel muss es nun gelingen, eine Grundformation von 15 bis 16 Spielern herauszuarbeiten, die bereit sind, mit ihm diese letzten vier bis sechs Aufgaben mit Feuer, Energie und Einsatz bis zum Letzten anzugehen. Einige Spieler dieses Kaders kann man offenbar nicht gebrauchen für diese Mission, das haben sie zu oft bewiesen. Sie sind entweder mental oder physisch nicht dazu in der Lage, alles aus sich herauszuholen. Funkel wird nun wissen, auf wen er sich verlassen kann und auf wen nicht. Erstmals nach dem Wehen-Spiel ließ er, der bis dahin seine Spieler stets verteidigte, durchblicken, dass es in Kiel personelle Veränderungen geben wird. Hengen sprach indes von "Hosenscheißer-Fußball", meinte damit aber wahrscheinlich dasselbe. Namen spielen jetzt keine Rolle mehr. Funkel muss die richtigen Männer in Rot finden, die den Kampf aufnehmen. Und ja, auch diese gibt es weiterhin im großen Kader. Jeder noch so kritische Fan wird welche finden, wenn er die Aufstellungen der letzten Wochen und Monate durchgeht. Talent oder frühere Leistungsnachweise reichen jetzt aber nicht mehr, es geht um den Biss und um einen stabilen Kopf.

Und dann heißt es Kampf für 90 Minuten. Nach 45 zumeist ordentlichen bis guten Minuten immer wieder ängstlich zurückzuweichen und einzubrechen, das ist nun keine Option mehr. Funkel wird die entsprechenden Schlüsse ziehen und muss nun eine stabile Formation auf den Platz stellen, die sich bis zur letzten Sekunde wehrt. Wer den Fußball und vor allem den FCK kennt, weiß auch, dass die Roten Teufel durchaus in der Lage sind, den Bock noch umzustoßen. Ein überraschendes Erfolgserlebnis jetzt - und zwar genau jetzt - kann das Wunder einleiten. Die Fans werden trotz aller Enttäuschungen am Start bleiben. Man sieht sich in Kiel.

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Jürgen Kind

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