Neues vom Betzenberg

Gegner-Check FCH: Welches Kaninchen wird zur Schlange?

Gegner-Check FCH: Welches Kaninchen wird zur Schlange?


Hansa Rostock gegen 1. FC Kaiserslautern. Der Tabellen-17. trifft auf den 16. Oder auch: Das drittschlechteste Auswärtsteam gastiert beim zweitschlechtesten Heim­team. Kampf ist an­ge­sagt. Krampf zu befürchten. Drei Punkte gibt's trotzdem zu gewinnen.

So lief's seit dem Hinspiel: Es liest sich bereits wie eine ferne Erinnerung, ist tatsächlich aber kaum mehr als fünf Monate her: Am 7. Spieltag dieser Saison traf auf dem Betzenberg der Tabellen-7. auf den 8., und nach diesem 3:1 kletterte der FCK sogar auf Rang 4. In Rostock dagegen war nach der dritten Niederlage in Folge die Euphorie, die sich nach dem starken Start mit drei Siegen in vier Spielen eingestellt hatte, endgültig abgeebbt. Tristesse kehrte ein und hielt sich bis heute. Denn seither feierte die Kogge nur noch zwei Siege. Die "Mechanismen des Geschäfts" griffen nach Spieltag 16. Nach einem 0:2 gegen Schalke musste Trainer Alois Schwartz gehen. Im Sommer war der Maurersohn noch als Held gefeiert worden, nachdem er zum Saisonfinale 2022/23 in sechs Partien 16 Punkte eingefahren und den Klub so vor dem Abstieg bewahrt hatte. Ihm folgte Mersad Selimbegovic, dessen Arbeit noch keine sonderlich reifen Früchte zu tragen scheint - wenn man sich nur die Tabelle betrachtet. Wer näher hinguckt, stellt jedoch, dass sich fußballerisch an der Ostsee schon einiges verbessert hat, nur die Ergebnisse stimmen noch nicht. Im Heimspiel gegen Aufstiegskandidat Hamburger SV vor zwei Wochen etwa drehten die Rostocker einen 0:1-Rückstand und mussten erst kurz vor Schluss noch den 2:2-Ausgleich schlucken. Beim 0:2 in Düsseldorf behaupteten sie sich über lange Strecken gut, trafen auch Aluminium, vermochten am Endergebnis aber nichts mehr zu ändern, nachdem sie durch einen Doppelschlag der Gastgeber schon früh auf die Verliererstraße geschossen worden waren.

Das hat sich geändert: Mersad Selimbegovic kam mit einem ähnlichen Anspruch nach Rostock wie Dimitrios Grammozis nach der Entlassung von Dirk Schuster nach Kaiserslautern. Er wollte sich mit seinem Team nicht nur baldmöglichst aus der Abstiegszone entfernen, sondern es auch weiterentwickeln, da Vorgänger Schwartz ähnlichen Idealen nachhing wie Lauterns Ex-Trainer: tief stehen und auf "Umschaltmomente" warten. Grammozis verordnete seinem Team laufintensives Angriffspressing, das es nicht über die volle Spielzeit zu leisten vermochte. Selimbegovic will mehr gepflegtes Aufbauspiel. Hinten formiert er mal Dreier-, mal Viererketten, aber darauf verstand sich Hansa auch unter Schwartz schon. Vorne bevorzugte Selimbegovic zuletzt eine Doppelspitze. Möglicherweise, um in erster Linie den Betriebsfrieden zu wahren. Denn, so paradox es angesichts der schlechten Torausbeute der Rostock bislang anmutet: Bei der Besetzung der Offensivpositionen plagt den Coach ein Luxusproblem. Die Leihspieler Juan-José Perea und Júnior Brumado drängen ebenso auf Einsätze wie der in Winterpause verpflichtete Sveinn-Aron Gudjohnsen, der gegen Hamburg ein Joker-Tor erzielte. Kai Pröger, in den zurückliegenden Spielzeiten bester Scorer, will nach einer durch Magenprobleme verursachten Pause ebenfalls zurück in die Startelf. Außerdem möchte Christian Kinsombi mehr zeigen, als ihm bislang gelungen ist. Trotz dieses Konkurrenzdrucks hat bislang aber noch keiner der Genannten damit begonnen, einigermaßen regelmäßig zu treffen.

Gewinner und Verlierer: Für so manchen Sommer-Neuzugang läuft es an der Ostsee nicht so, wie er sich das vorgestellt hat. Janik Bachmann, der in Lauterns Drittliga-Zeiten einst als "Sechser" nicht in die Spur fand, wurde anschließend in Sandhausen von Alois Schwartz mit offensiveren Mittelfeld-Rollen betraut und schlug ein. Dementsprechend hoffnungsfroh folgte er dem Coach auch an dessen nächsten Arbeitsplatz. Ab Mitte der Hinrunde jedoch fand Bachmann sich nur noch auf der Bank wieder, zum Jahresende stand er gar nicht mehr im Kader. Seit Beginn dieses Jahres ist er wieder regelmäßig dabei, zuletzt setzte ihn Selimbegovic als Innen- und Rechtsverteidiger ein. Mehr Einsätze versprochen hat sich auch die Hamburger Leihgabe, Jonas David. Ebenso drückte auch der aus Paderborn geleaste Innenverteidiger Jasper van der Werff zuletzt nur noch die Bank. Stürmer Perea, der im vergangenen Sommer auch kurz beim FCK im Gespräch war, erzielte in den ersten drei Saisonspielen drei Treffer, seither traf er nur noch ein einziges Mal. Bayern-Gewächs Sarpreet Singh hat auch unter dem neuen Trainer noch nicht so richtig eingeschlagen, obwohl er eigentlich gute Anlagen mitbringt, für mehr spielerischen Glanz zu sorgen. Gewinner? Ist am ehesten Junior Brumado, der bislang zwar auch nur vier Mal getroffen hat, aber wiederholt andeutete, Potenzial für mehr zu haben. Zum Jahreswechsel hatte ihn allerdings eine Rot-Sperre ausgebremst. In der Hauptsache halten den Laden in Rostock Kräfte zusammen, die sich schon lange bewährt haben: Keeper und Kapitän Markus Kolke, Abwehrrecke Damian Roßbach, Sechser Dennis Dressel sowie Svante Ingelsson und Nils Fröling auf den offensiven Mittelfeld-Positionen.

Zahlenspiele: 22 Treffer hat Hansa bislang erzielt, davon sieben in den ersten vier Saisonspielen. Das heißt, gerade mal 15 in den anschließenden 19 Partien. Ergibt ein Schnitt von 0,79 Toren pro Spiel. Mal im Ernst: Gegen wen wollen die Lautrer in dieser Saison eigentlich noch zu null spielen, wenn nicht gegen diesen Gegner? Aber Vorsicht: Der xG-Tabelle zufolge hätte Rostock gut und gerne zehn Treffer mehr erzielen können. Chancen, auch von guter Qualität, arbeiten sich die Gastgeber also schon heraus. Und Mittelwerte sind nun einmal tückisch, wenn eine Mannschaft während der Saison bereits einen Trainer- und Stilwechsel vollzogen hat. In den Komplettrankings der Laufwerte etwa stehen die Rostocker zwar noch schlechter da als der FCK: 18. bei "Gesamtlaufdistanz", jeweils 16. bei "intensiven Läufen" und "Sprints". Aber: Im jüngsten Heimspiel gegen den Hamburger SV legte die Besatzung der Kogge insgesamt 125,3 Kilometer zurück - 120 Kilometer gelten bekanntlich schon als guter Wert. Es tut sich also was unter Selimbegovic. Stark sind die Rostocker nach wie vor im Verteidigen von Kopfbällen, mit dem Kopf getroffen haben sie aber erst zweimal. Dass sie zuhause erst 14 Punkte geholt und schon fünf Mal verloren haben, sollte den Lautrern Mut machen. Eigentlich. Doch auch sie haben in der Fremde erst sechs Mal gepunktet und nur einmal gewonnen. Im Grunde also geht es darum, wer höher über seinen eigenen Schatten springen kann.

Fazit: Wir können noch so viele Zahlen ausgraben, die den FCK-Anhang optimistisch stimmen müssten: Wer die Roten Teufel beim 0:4 gegen den Karlsruher SC gesehen hat, tut sich mit Zuversicht schwer. Friedhelm Funkel hat versprochen, in dieser Woche elf Spieler zu identifizieren, die an der Ostsee entschlossen und mit Selbstvertrauen auflaufen. Damit wäre in der Tat schon viel gewonnen. Ansonsten ist ein Aufeinandertreffen zweier Kaninchen zu erwarten, die darum knobeln, wer von ihnen mal in die Rolle der Schlange schlüpfen soll. Denn auch wenn die Rostocker nunmehr nach mehr Spielkultur streben - den Ball wollen sie nach wie vor nicht unbedingt. Mehr Ballbesitz als der Gegner verzeichneten sie unter Selimbegovic bislang nur zum Jahresauftakt gegen den 1. FC Nürnberg. Da lagen sie aber schon nach 15 Minuten zurück, verloren am Ende 0:3. Selbst im Duell gegen den Tabellenletzten Osnabrück, das 0:0 endete, kamen sie nur auf 36 Prozent Ballbesitz. Da der FCK auch Friedhelm Funkel bislang lieber dem Gegner das Leder lässt und auf die berühmten Umschaltmomente spekuliert, ist ein Geduldsspiel zu erwarten, in dem es darum geht, wer den ersten Fehler macht. Schön wird das nicht. Aber hochspannend für jeden, der den Absturz seines Teams in die 3. Liga fürchtet. Und das ist auf beiden Seiten der Fall.

Quelle: Der Betze brennt

Weitere Links zum Thema:

- Funkel vor Rostock: "Die Spieler sind in der Bringschuld" (Der Betze brennt)

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